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Sieger: Tobias Gjerde – Norwegen

Tobias Gjerde ist 22 Jahre alt, kommt aus Oslo, Norwegen, und hat schon in früher Kindheit eine tiefe Leidenschaft für die Wildtierfotografie entwickelt. Er hat sich in die nordische Wildnis verliebt und genießt besonders ihre kalte und unwirtliche Seite. Mit seinen Bildern möchte er die faszinierende Schönheit dieser Natur vermitteln und betonen, dass das, was uns geblieben ist, erhaltenswert ist.
Als Wirtschaftsstudent an der NTNU in Trondheim verbringt Tobias den größten Teil seiner Freizeit in der Natur, die Kamera immer an seiner Seite. Die Entwicklung origineller und kreativer Ansätzen beim Fotografieren gewöhnlicher Wildtierarten fasziniert und begeistert ihn ebenso wie die Begegnungen mit seltenen und scheuen Arten.
Im Jahr 2023 diente Tobias in der norwegischen Armee als Militärfotograf für das Arctic Ranger Battalion (GSV) und konnte so seine Leidenschaft für die Fotografie mit einem sinnvollen Militärdienst verbinden. Im Jahr 2024 wurde er gewähltes Mitglied von Norske Naturfotografer / NN – einem Verband für professionelle norwegische Naturfotografen. Heute, im Jahr 2025, konzentriert sich Tobias auf die Erstellung von Mini-Dokumentationen und Hinter-den-Kulissen-Videos, um Geschichten aus der Naturfotografie mit seinem Publikum auf YouTube und Instagram zu teilen.

www.tobiasgjerde.com

Tobias Gjerde

Projekt: Norwegischer Winter

Der Winter im Norden hat etwas ganz Besonderes an sich. Es gibt Tage mit absoluter Stille, an denen der weiche Schnee jedes Geräusch verschluckt. Und es gibt Tage mit heulendem Sturm, an denen allein das Aufrechtstehen eine Herausforderung ist. Der feste Griff des Winters ist unbarmherzig und faszinierend schön zugleich. Wenn der Schnee den Boden bedeckt, zeigt sich nur eine leere, minimalistische Landschaft, weiß wie eine Leinwand – ein Paradies für Fotografen, ein Albtraum für die Tiere. Wenn die Temperaturen sinken und der Wind auffrischt, haben wir Menschen in der Regel eine Wahl: draußen in der eisigen Kälte zu bleiben oder Schutz in einem warmen Haus, einer Hütte oder einem Zelt zu suchen. Die Tiere haben diese Möglichkeit nicht. Sie müssen die unerbittliche Witterung ertragen, die Mutter Natur ihnen beschert hat. Um dies zu tun und die extremen Bedingungen des norwegischen Winters zu überleben, müssen sie sehr widerstandsfähig und anpassungsfähig sein. Mit meinen Bildern möchte ich diese bewundernswerte Widerstandsfähigkeit vermitteln und den bemerkenswerten Kreaturen, die dem norwegischen Winter trotzen, gerecht werden.

Tobias Gjerde | Norwegischer Winter 1

Einsamer Wanderer
Auf einer fünftägigen Fotoexpedition in den Bergen von Dovre bin ich über 70 km mit Schneeschuhen gewandert und habe dabei nur eine Handvoll hartgesottener Spezialisten getroffen, die in diesem unbarmherzigen Land überleben können. Eine dieser Begegnungen war der kurze Moment, den ich mit einem Rotfuchs (Vulpes vulpes) verbrachte. Ich erspähte das schlaue Tier in einem Kilometer Entfernung und schlich mich langsam den angrenzenden Hang hinauf, um eine bessere Perspektive zu haben. Als ich in Position war, kniete ich mich hin und wartete ab, in der Hoffnung, dass der Fuchs den vegetationsfreien, schneebedeckten Teil des Hangs überqueren würde. Zu meiner großen Freude tat er genau das, und ich konnte ein äußerst minimalistisches Porträt dieses einsamen Wanderers aufnehmen.

Tobias Gjerde | Norwegischer Winter 2

Nomaden des Nordens
Am zweiten Tag einer Winterexpedition nach Dovre wurde ich durch starken Wind geweckt, der am Zelt rüttelte. Als ich den Reißverschluss öffnete, sah ich mich mit einem totalen Whiteout und einer Sichtweite von fast Null konfrontiert. Als ich dann in die Berge hinaufwanderte, wurde ich von Windböen fast umgeworfen, und das Schneetreiben war so dicht, dass ich gerade noch erahnen konnte, was oben und unten war. Nachdem ich einen Pass überquert hatte, änderte sich die Situation. Für einen kurzen Moment lichteten sich die tief hängenden Wolken, und das Schneetreiben kam zum Stillstand. Ich nahm mein Fernglas und suchte die Landschaft nach Lebenszeichen ab. Zu meiner Überraschung erblickte ich eine Herde wilder Rentiere (Rangifer tarandus), die sich langsam den Hang hinaufbewegte. Hinter ihnen lagen sanfte Hügel und das rasch wechselnde Licht beleuchtete wunderschöne Wolkenschichten, die rasch in die Ferne zogen. Ein paar Minuten später zog sich der Himmel erneut zu. Die Sicht war wieder auf ein Minimum reduziert, während die Rentiere ihren Weg durch die weiten, einsamen Berge Norwegens fortsetzten.



Tobias Gjerde | Norwegischer Winter 3

Die Schneekönigin
Nach fünfzehn Kilometern Wanderung durch zerklüftete Landschaft musste ich einen Pass überqueren, um das nächste Tal zu erreichen. Bei Windböen, die mich fast umwarfen, und dichtem Schneetreiben, bemerkte ich plötzlich, dass sich die Felsen vor mir zu bewegen schienen! Erst war es einer, dann ein anderer, und schließlich erhoben sich zwölf große Felsbrocken auf ihre Füße. Es waren Moschusochsen (Ovibos moschatus), die mich anstarrten, und ich zog mich sofort behutsam zurück. In sicherer Entfernung setzte ich mich hin und begann, die Tiere zu beobachten. Es dauerte nicht lange, bis sie sich alle wieder zur Ruhe legten und erneut im Schneegestöber zu verschwinden schienen. Eine Stunde später lichteten sich die tief hängenden Wolken kurz und ich konnte zu den benachbarten Gipfeln hinübersehen. In diesem Moment beschloss eine der Kühe aufzustehen. Nach Stunden im Schneesturm war ihr Körper mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Wie eine Schneekönigin erhob sie sich auf geradezu königliche Weise und blickte über ihr weites, einsames Land.



Tobias Gjerde | Norwegischer Winter 4

Clown im Blizzard
Es war März in der Arktis, und die Papageitaucher (Fratercula arctica) von Hornøya waren gerade erst in ihr Brutgebiet zurückgekehrt – zu Zehntausenden. Doch der Frühling war noch weiter entfernt, als die Vögel es erwartet hatten, und sie wurden von extremem Wetter überrascht. Schneestürme sind keine Seltenheit im hohen Norden, und die Clowns der Meere schienen von ihrer Brutalität kaum betroffen zu sein. Während ich Mühe hatte, in den extremen Böen aufrecht zu stehen, surften die Papageitaucher mühelos im Wind, über einer Landschaft aus schroffen Klippen und tückischen Gewässern. Dieses Bild fängt nicht nur die schiere Rohheit der nordischen Bedingungen ein, sondern eröffnet auch eine neue Perspektive auf die Widerstandsfähigkeit dieser Vögel, die oft nur als niedlich und ungeschickt wahrgenommen werden.



Tobias Gjerde | Norwegischer Winter 5

Blaue Stunde in der Tundra
Es ist Mai im arktischen Norwegen, und die Tundra ist noch mit Schnee bedeckt. Die Uhr schlägt Mitternacht, als ich vor mir einen Schneeball entdecke. Ein genauerer Blick mit dem Fernglas bestätigt meinen Verdacht: Ein Alpenschneehuhn (Lagopus muta)! Die Mitternachtssonne wirft ihr subtiles Licht auf die Szene, das in Kombination mit den sanften, verschneiten Hügeln der Tundra eine geradezu märchenhafte Atmosphäre erzeugt.

Tobias Gjerde | Norwegischer Winter 6

Ein Streifen Blau
Alpenschneehühner (Lagopus muta) sind eigentlich Bergbewohner, doch auf Varanger, im äußersten Nordosten Norwegens, erstreckt sich ihr Lebensraum von den Bergen bis hinunter zur Küste – was die Beobachtung von Bergspezialisten mit Blick aufs Meer ermöglicht. Das eröffnet eine Menge einzigartiger Fotomöglichkeiten. Durch die Ausnutzung der Leere in der Landschaft und die Einbeziehung eines blauen Streifens von offenem Meer konnte ein ungewöhnliches, sehr minimalistisches Schneehuhnporträt entstehen.

Tobias Gjerde | Norwegischer Winter 7

Nach dem Schneesturm
Ein unbarmherziger Schneesturm im Mai begrüßte die Nonnengänse (Branta leucopsis) von Spitzbergen bei ihrer Rückkehr zu ihren Brutplätzen. Als sich Wind und Schneefall gelegt hatten, zeigte sich eine monochrome Landschaft mit filigranen Strukturen und komplexen Mustern. In nur wenigen Wochen wird dieses zerklüftete, trostlose Land mit frischem Grün bedeckt sein, und es wird eine kurze Zeit des Überflusses geben, wenn die Nonnengänse ihre Küken in der arktischen Welt willkommen heißen.

Tobias Gjerde | Norwegischer Winter 8

Auf dem Eisberg
Bei der nördlichsten Siedlung der Welt, Ny-Ålesund, Svalbard, treiben Eisberge von den Gletschern am Kongsfjord auf dem Meer. Für die Eiderenten (Somateria mollissima) bieten diese Eisberge sichere und bequeme Ruheplätze, auf denen sie sich zwischen den Tauchgängen ausruhen können. Die dunklen Wolken, die über dem offenen Meer hängen, bilden in Kombination mit den leuchtenden Blautönen des Eises eine wunderschöne Kulisse, um diese Meeresenten in ihrem arktischen Lebensraum zu porträtieren.

Tobias Gjerde | Norwegischer Winter 9

Warten auf den Frühling
An einem traditionellen Rastplatz für ziehende Knutts (Calidris canutus) zeigt Nordnorwegen seine unberechenbare Natur und überrascht im Mai mit einem Schneesturm. Das ist nicht alltäglich, aber die Knutts müssen auf ihrer Wanderung entlang der norwegischen Küste mit dem Unerwarteten rechnen. Der norwegische Name für den Knutt bedeutet direkt übersetzt „Polarstrandläufer“ – ein Name, den er sich durch seine Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit an die extremen arktischen Bedingungen verdient hat.

Tobias Gjerde | Norwegischer Winter 10

Dem Sturm trotzen
Als der Winter in den norwegischen Bergen Einzug hielt, verbrachte ich zwei Nächte in Nesbyen, um wilde Rentiere (Rangifer tarandus) zu fotografieren. Innerhalb weniger Stunden fielen über dreißig Zentimeter Schnee, und der Wind frischte zu einem Orkan auf. Ich hatte das Glück, eine Gruppe Rentiere ausfindig zu machen, bevor die Sicht drastisch eingeschränkt war, und verbrachte drei Stunden in ihrer Gegenwart. Obwohl ich angemessen gekleidet war, forderten der kalte Wind, das Schneetreiben und die zweistelligen Minusgrade ihren Tribut. Der Rückweg zum Zelt war zwar nur sechs Kilometer lang, dauerte aber wegen des enormen Schneefalls, der im Laufe des Tages eingesetzt hatte, über Stunden – die meiste Zeit davon in der pechschwarzen Winternacht. Was vorher eine leichte Wanderung gewesen war, wurde nun zu einem nicht enden wollenden Kampf durch einen halben Meter Schnee. Diese anspruchsvolle Expedition war ein echter Test für Körper und Geist und hat mir einen völlig neuen Respekt vor den Bergen und ihrer Tierwelt vermittelt.