Mit Javier Aznar hat erneut ein spanischer Fotograf den Fritz Pölking Preis gewonnen. Seine fotografische Story „Liebe, Hass und Klapperschlangen“ setzt sich mit der kulturellen und ökologischen Bedeutung von Klapperschlangen einerseits und ihrer traditionellen Bejagung andererseits auseinander und überzeugte die internationale Jury.
Der Fritz Pölking Jugendpreis geht in diesem Jahr an Tobias Gjerde aus Norwegen. Mit seinem Portfolio „Norwegischer Winter“ widmet er sich den Tieren, die auf bewundernswerte Weise und mit enormer Widerstandsfähigkeit den Extremen des Winters trotzen.
Der internationale Fritz Pölking Preis ist ein Sonderpreis des Wettbewerbs Europäischer Naturfotograf des Jahres und wird seit achtzehn Jahren zu Ehren des 2007 verstorbenen Fritz Pölking von der Gesellschaft für Naturfotografie (GDT) gemeinsam mit dem Tecklenborg-Verlag ausgeschrieben. Er wird jährlich für ein herausragendes fotografisches Werk vergeben. Dies kann sowohl ein naturfotografisches Projekt als auch ein Portfolio sein.
Javier Aznar | Projekt: Liebe, Hass und Klapperschlangen
Seit Jahrtausenden faszinieren und verunsichern Klapperschlangen den Menschen: verehrt als Boten der Götter, gefürchtet als Abgesandte der Unterwelt, gefeiert als Symbol amerikanischer Freiheit. Doch trotz ihrer kulturellen und ökologischen Bedeutung werden die ikonischen Bewohner des Westens bis heute brutal verfolgt. mehr...
Tobias Gjerde | Projekt: Norwegischer Winter
Wenn der Schnee den Boden bedeckt, zeigt sich nur eine leere, minimalistische Landschaft, weiß wie eine Leinwand – ein Paradies für Fotografen, ein Albtraum für die Tiere. mehr...
Die Jury, bestehend aus Rosamund Kidman Cox (UK), Serena Dzenis (AU/IS), Aaron Gekoski (UK), Agorastos Papatsanis (GR) und Bruno D'Amicis (IT) sowie Patrick Brakowski (Tecklenborg Verlag), traf sich live in Potsdam.
Im Namen der Jury - Patrick Brakowsky:
So entlegen die Landschaft, so selten die Art oder so einzigartig das Naturphänomen auch sein mag: Nichts, was in der Natur fotografiert wird, lässt sich jemals wirklich von der Welt des Menschen trennen. Denn stets ist es der menschliche Blick mit all seinen Erfahrungen und Empfindungen, der die Motive formt. Bilder von Wildnis sind letztlich eine Interpretation von ihr und können das wahre Erlebnis vor Ort nur eingeschränkt wiedergeben. Dass beide Welten, die natürliche und die menschliche, zusehends schwerer voneinander zu trennen sind, haben Naturfotografinnen und -fotografen in den vergangenen Jahrzehnten immer deutlicher und eindringlicher in ihre Arbeit einfließen lassen, auf kreativer wie auch auf narrativer Ebene. Und es ist die letztgenannte, erzählerische Form der Naturfotografie, die dafür gesorgt hat, dass wir mittlerweile ganz anders auf die Abbildung von Naturmotiven blicken als noch vor einigen Jahren. Vielleicht lässt sich heute behaupten, dass der Blick eines Kindes in einen Raum voller Klapperschlangen mehr über die Natur aussagt als ein spektakuläres Löwenporträt vor wilder Naturkulisse. Im Blick des Kindes spiegeln sich Faszination und Schrecken gleichermaßen wider und wir erkennen: Natur und Mensch sind kaum voneinander zu trennen, denn wir sind es, die den größten Einfluss auf sie haben.
Unter den diesjährigen Einreichungen zum Fritz Pölking Preis gab es wieder fantastische Naturaufnahmen, spannende Verhaltensweisen von Tieren, ästhetisch fein ausgearbeitete Landschaftsbilder und Einblicke in unbekannte Welten, doch als die Entscheidung für eine Siegerserie näher rückte, waren es die Geschichten an der Schnittstelle von Mensch und Tier, die bei den Jurorinnen und Juroren den stärksten Eindruck hinterlassen haben. Dem hohen Niveau der Einreichungen entsprechend, entspann sich zum Ende eine lebhafte Diskussion, doch waren wir uns schließlich einig, dass die zehn Bilder, die der Spanier Javier Aznar eingereicht hatte, nicht zu übertreffen waren.
Selten rückte eine Siegerserie beim Fritz Pölking Preis so nah an den Menschen heran. Liebe, Hass und Klapperschlangen konfrontiert uns unmittelbar mit unserem Umgang mit anderen Lebewesen, setzt aber dabei nicht allein auf den Schockmoment, sondern veranschaulicht die Komplexität des Themas auf vielfältige Weise. Bemerkenswert ist – und das ist vielleicht ein Novum in der Geschichte dieses Wettbewerbs –, dass jedes Foto für sich genommen preiswürdig wäre. Trotzdem handelt es sich keinesfalls um eine Sammlung gelungener Einzelbilder. Dem Fotografen ist vielmehr das Kunststück gelungen, Bilder zu erstellen, die einen Sachverhalt sowohl erzählerisch als auch ästhetisch auf hohem Niveau auf den Punkt bringen.
Obwohl Menschen in seiner Serie einen großen Raum einnehmen, wird deutlich, dass sich Javier als Biologe eingehend mit den Schlangen, ihren Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen auseinandergesetzt hat. So gelingt ihm etwa das beeindruckende nächtliche Porträt einer Klapperschlange mit erhobenem Kopf, die ihre namensgebende Schwanzrassel in Richtung Mond reckt. Wie nah sich die Tiere an der Lebenswelt des Menschen bewegen, wird in der Aufnahme deutlich, die ein gut getarntes Exemplar nur weniger Meter neben einer befahrenen Straße oberhalb einer Stadt zeigt. Daneben präsentiert der Fotograf ein großes Spektrum menschlicher Lebenswelten, in welche die Tiere hineinwirken – in Wissenschaft und Medizin, unter Schlangensammlern und nicht zuletzt dort, wo mittlerweile Aufklärung stattfindet, anstatt die Tiere zu jagen und zu töten. Nur durch die Breite der Erzählung kann Javier sein Anliegen vermitteln: einen Perspektivwechsel zu ermöglichen, damit diese Tiere den Respekt von uns bekommen, den sie verdienen.
Mit Respekt begegnet auch der norwegische Fotograf Tobias Gjerde den Motiven seiner Serie Norwegischer Winter. Für uns Menschen ist kaum vorstellbar, was die Tiere des Nordens im Winter durchmachen müssen. Gnadenlos sind sie der gefährlichen Mischung aus Schnee, Wind und Kälte ausgesetzt, in einer Landschaft, die kaum Schutz bietet, wo die Wetterphänomene ungehindert hindurchfegen. Der Fotograf begibt sich für eine begrenzte Zeit ebenfalls in diese Welt, in der Menschen nicht überlebensfähig wären. Die Tiere fotografiert er stets aus einer gewissen Distanz und betont dabei die Weite der Landschaft, die sie umgibt. Das Foto des Rotfuchses würde man mit der mittigen Platzierung des Tieres aus klassischer fotografischer Sicht vielleicht als Fehlkomposition bezeichnen, doch unterstreicht diese Positionierung die Ausgesetztheit des Tieres in der Landschaft. Vor ihm und hinter ihm gibt es nichts als Weiß. Die Jury zeigte sich beeindruckt, wie es diesem jungen Fotografen gelungen ist, ein breites Artenspektrum mit einer so klaren inhaltlichen und ästhetischen Ausrichtung zu fotografieren. Tobias´ fotografischer Umgang mit Schnee und Wind, den schwachen Farben des nordischen Winters, sein Einfühlungsvermögen in jede einzelne Tierart bewegen sich auf hohem Niveau. Dabei braucht es keine außergewöhnlichen Verhaltensweisen oder actionreichen Momente, um diese Geschichte über das Verlorensein in einer ungebändigten Natur zu erzählen.
Unterschiedlicher als die zwei ausgezeichneten Projekte von Javier Aznar und Tobias Gjerde kann die Naturfotografie in Serie kaum sein. Das zeigt, was in diesem Genre noch alles möglich ist und sollte Fotografinnen und Fotografen ermutigen, den Blick zu weiten und sich mit Leidenschaft und Empathie einem Thema zu verschreiben.
Bei all der Begeisterung hatte sich über den diesjährigen Fritz Pölking Preis ein Schatten gelegt. Drei Wochen vor der Jurysitzung verstarb Gisela Pölking, die seit dem Tod ihres Ehemanns Fritz als Mitinitiatorin jedes Jahr Teil der Jury war. Die beiden ausgezeichneten Serien – da sind wir uns sicher – hätten ihre Zustimmung gefunden. Der Fritz Pölking Preis wird mit all den großartigen Geschichten, die er hervorbringt, auch in Zukunft das Potenzial der Naturfotografie im Sinne der Pölkings weiter vorantreiben.