Hallo, Stefan!
Wenn wir eines haben tut es keinem Weh - wenn wir darüber diskutieren und eine gemeinsame Haltung formulieren können wir nur gewinnen.
Dem kann ich so nicht vollständig zustimmen. Der Sinn von „Leitbildern“ an sich ist ja durchaus umstritten. Sie sind gerade mächtig in Mode, kaum eine Firma der ein findiger Berater nicht für viel Geld die Notwendigkeit eines Leitbilds eingeredet hat. Aber leider hört man aus vielen Firmen, dass es die Mitarbeiter incl. Management einen Sch… interessiert, was in ihrem Leitbild steht. Volkswagen und Audi haben sicher Leitbilder. Kraus-Maffei vermutlich auch. Datenkrake Google hatte mit seinem Motto/Leitbild „don’t be evil“ doch zuletzt eher die Lacher auf seiner Seite.
Und der Umstand, dass Behörden umfassend auf diesen Zug aufgesprungen sind sollte uns noch misstrauischer machen, oder? ;-)
Vorneweg möchte ich jedoch sagen, dass ich, auch wenn ich persönlich die Ausformulierung eines „Leitbildes“ aufgrund unserer in diesen Punkten sehr eindeutigen Satzung für unnötig erachte, mich im Zweifelsfall gerne vom Gegenteil überzeugen lasse. Deshalb habe ich hier bisher mitgelesen und mich nicht eingemischt.
Wenn Veränderungen Erfolg haben sollen, muss man sich aber immer auch über mögliche Folgen Gedanken machen und überlegen, ob und wie man mit diesen Folgen ggf. umzugehen imstande ist.
Mit der Formulierung eines Leitbilds steht man von Anfang an in einer Zwickmühle, insbesondere in einem pluralistischen und vielfältigen Verein, wie es die GDT nun mal ist. Denn formuliert man das Leitbild eher (str)eng, steht man durchaus u.A. vor der Frage nach Kontrolle - und wenn man nicht selbst kontrolliert, zumindest vor der Frage, wie man mit Beschwerden umgeht. Es gibt auch heute schon "Anzeigen" beim Vorstand. Zum Glück nicht oft, aber eben doch immer wieder. Zumindest eine davon erging nach meinem Ermessen in eindeutig verleumderischer Absicht - verbunden mit heftigen Drohungen, den Ruf des betr. Fotografen zu ruinieren. Einer anderen lag ein Fehlverhalten (letztendlich Übereifer) eines GDT Mitglieds zugrunde: die betroffene Person war einsichtig, hatte sich bereits selbst bei der zuständigen Behörde angezeigt. Das Fehlverhalten war in diesem Fall von einem Naturschützer mit Bild und Video dokumentiert worden.
In allen Fällen fand die "Anzeige" unter Berufung auf die Haltung/Satzung der GDT statt. Es gibt also bereits heute eine durchaus auch außerhalb der GDT (international) wahrgenommene ethische Haltung - auch ohne zusätzliches Leitbild. Das drückt sich auch in den bisweilen bei prämierten Wettbewerbsbildern auftretenden Diskussionen aus. Auch hier geht es meistens um ethische Themen, die jedoch nicht immer mit dem Naturschutz zusammenhängen müssen.
Ob „Anzeige“ eines Mitglieds oder Beschwerde über ein Wettbewerbsbild: Sich damit zu beschäftigen kostet Zeit, bisweilen sogar extrem viel Zeit. In einem Fall wurden von Seiten des GDT-Vorstands sogar Ortsbegehungen im Ausland angeboten, um die Vorwürfe zu prüfen. Dem waren tagelange Recherchen, eine Kaskade internationaler Korrespondenz und Telefonate verschiedenster Beteiligter vorausgegangen.
Es ist also mitnichten „schwach“ auf solche Probleme hinzuweisen, Andreas. Schwach ist es vielmehr, Wünsche und Forderungen zu formulieren, ohne sich über mögliche Folgen Gedanken zu machen.
Stellt sich die Frage: warum nehmen wir im Fall von Beschwerden diesen Aufwand auf uns? Ganz einfach - weil es eben auch zur Haltung der GDT gehört, Regeln nicht nur aufzustellen um sich in deren Wohlklang zu sonnen, sondern diese auch ernst zu nehmen und möglichen Verstößen nachzugehen.
Ich sehe nun durchaus das Problem, dass ein ausformuliertes Leitbild den Weg für unsere Mitglieder so weit verengt, dass sich fast jeder dann und wann gewisser „Verstöße“ schuldig macht. Wenn wir mit dem Leitbild aber in die Öffentlichkeit treten, werden wir (und damit alle Mitglieder) und daran messen lassen müssen.
Ich kann die Möglichkeit nicht ausschließen, dass damit die Beschwerden zunehmen (was schon ein einem geringem Umfang vom Vorstand nicht mehr zu bewältigen wäre - was dann? Führen wir so eine Art interne Ermittlungstruppe ein, mit angeschlossenem Schiedsgericht?) - wie geht es dann weiter, führt das nicht zu einem Klima gegenseitiger Überwachung, Misstrauen und Missgunst? Besonders im Umfeld der Wettbewerbe, wo der große Ehrgeiz im Spiel ist, kann es dann schnell mal heissen: für dieses oder jenes Bild hat er aber den Weg verlassen müssen - wie könnt Ihr Bilder prämieren, bei deren Erstellung gegen Euer ethisches Leitbild verstoßen wurde? Momentan haben wir noch kleine Grauzonen. Ich bin mir sicher, dass jede Konkretisierung von Ge- und Verboten zwangsläufig zu mehr Beschwerden führen wird.
Und was, wenn Leute zu unrecht beschuldigt werden? „Wir wollen keine Sanktionen“ - das ist leicht gesagt, aber die Praxis sieht anders aus. Auch wenn der Verein keine Verstöße direkt sanktioniert, so muss man den Beschwerden doch zumindest nachgehen - sonst macht man sich völlig unglaubwürdig.
Doch zurück zu der Frage nach der „Zwickmühle“ Leitbild. Man könnte nun natürlich das Leitbild auch lockerer, offener formulieren. Aber auch das scheint mir nicht der optimale Weg zu sein, denn dann steht man schnell vor der Frage: wozu das ganze, wenn es sich am Ende um windelweiche Phrasen und fromme wünsche handelt. Jeder Entscheidungsträger weiß heute, wie ein Leitbild zu bewerten ist: als idealisiertes Selbstbild, das mit der Praxis im Zweifelsfall überhaupt nichts zu tun hat.
Wenn ich die GDT vorstelle und vertrete, stelle ich immer die **Haltung** des Vereins in den Vordergrund, denn die in unseren Satzung festgeschriebene und in breiten Teilen gelebte Haltung ist es, was uns von anderen Fotoclubs unterscheidet. Diese Haltung fußt auf 3 Säulen: Dem Streben nach Qualität, der Authentizität unserer Bilder und der Achtung des Naturschutzes.
Dafür ist die GDT bekannt - zumindest bei den Leuten, die sie kennen. ;-)
Diese 3 Säulen entsprechen für mich dem, was Du vermutlich mit Leitbild meinst. Sie gehen aber über den Aspekt des Naturschutzes hinaus - und das finde ich bei einer Vorstellung der GDT in der Öffentlichkeit sehr wichtig, denn gerade das Thema der Authentizität ist eines, welches sehr oft nachgefragt und eingefordert wird - und letztlich geht es dabei auch um eine Form der Ethik.
Viel wichtiger als ein zusätzlicher Papiertiger ist mir bei der Vorstellung der GDT aber immer, anhand von Beispielen erläutern zu können, wie diese Haltung bei uns gelebt wird.
Fazit:
- Ich sehe keine Notwendigkeit für ein weiteres Leitbild
- Insbesondere nicht, wenn es sich nur auf den Naturschutz bezieht, da dies nur einen Aspekt der Haltung der GDT widerspiegeln würde
- Ich sehe mögliche Probleme, die mit der Veröffentlichung eines detaillierten Leitbilds auf uns zukommen könnten (s. oben)
- Ich denke aber auch, dass man unseren Haltung sicher noch besser kommunizieren könnte, das ist aber eher eine rein handwerkliche Sache (Texte, Bilder etc.)
Soviel zur Kritik.
Vorneweg zum nächsten Absatz - anscheinend redeten wir bisher etwas aneinander vorbei, denn das was Ihr formuliert habt sehe ich als reines Regelwerk, Du nennst es im Gegensatz dazu "Leitbild" und gemeinsam habt Ihr beide Euch in der vorangegangenen Email-Debatte fast schon aggressiv gegen ein konkretes Regelwerk verwehrt. Das könnte für Missverständnisse gesorgt haben. ;-)
Egal, wie auch immer man es nennt, ich finde es grundsätzlich
nicht schlecht. Ich denke, wenn man das mal durchdenkt und etwas griffiger formuliert, so dass es einen markanten GDT-Charakter bekommt, wäre das etwas, was man unseren Mitgliedern für das Thema "Ethik & Naturschutz" an die Hand geben könnte.
Ich finde jedoch, dass wir damit mehr in den Duktus einer Beratung gehen sollten - und nicht eines Gesetzbuchs, ob bindend oder nicht.
Das Werk könnte mit einer Präambel beginnen, wie:
"Wir sind uns der Diversität und Individualität unserer Mitglieder bewusst, geben aber für Ethisches Verhalten in der Naturfotografie basierend auf den Statuten unserer Satzung die folgenden Handlungs- und Verhaltensratschläge heraus. Wir empfehlen jedem Mitglied, diese als Grundlage der eigenen Handlungsweise zu verinnerlichen.
Die Regeln werden vom Verein in keiner über die Satzung hinaus gehender Form sanktioniert. Wir glauben an die positive Kraft unserer Gemeinschaft und stellen es jedem Mitglied frei, sich öffentlich oder im Stillen zu den Leitlinien zu bekennen."
(Bitte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, das ist jetzt nur mal so schnell hingeschrieben)
Danach gerne eine Aufteilung wie von Euch vorgeschlagen - "vor der Aufnahme"…etc.
Das Ganze könnte dann auch immer wieder unkompliziert an neue Gegebenheiten angepasst werden, bei Nachfragen und Unsicherheiten erweitert und/oder umformuliert werden.
Frei fabuliert: Dazu ein Logo, mit dem sich Mitglieder und Nichtmitglieder auf Ihrer Homepage zu den Regeln bekennen können - so starten wir eine Bewegung, die über die GDT hinaus geht?
Das alles einfach mit dem Hintergedanken, hier viel mehr einen Service, eine Orientierungshilfe zu bieten, anstatt so etwas wie eine erweiterte Satzung zu postulieren. Dies hätte meines Erachtens einen viel positiveren Charakter als ein Leitbild, welches ggf. nur viele (auch potentielle Mitglieder) verunsichern und abschrecken würde ("was darf ich alles nicht mehr, wenn ich der GDT beitrete? Was passiert, wenn ich mich falsch verhalte? Werde ich kontrolliert angeschwärzt?") und unserem Ruf als elitärer Zirkel weiteren Vorschub leisten würden.
Am Ende denke ich, dass wir inhaltlich sowieso eine komplette Übereinstimmung haben. Beziehen sich unsere Differenzen nicht lediglich darauf, wie wir es verpacken und kommunizieren?
Das ist doch eigentlich eine gute Basis. :-)
Einen schönen Montag,
wünsche ich!
Stephan